Die bewegte Geschichte der Bischof-Hermann-Kunst-Schule
Eine bis heute bewegte Geschichte beginnt im Jahr 1948. Im Juli/August des Jahres und auch etwas über diese Zeit hinaus kamen in Transporten vom schwedischen Roten Kreuz insgesamt 150 Kinder in Espelkamp an, um hier eine neue Heimat zu finden und Deutsch zu lernen. Diese sogenannten „Bromberger Kinder“ hatten ihre Eltern auf der Flucht aus dem Zentralen Arbeitslager Potulice und aus der Umgebung von Bromberg/Westpreußen verloren.
Gegründet wird die heutige Schule deshalb als Reaktion darauf als Heim- und Förderschule für „Bromberger Kinder“. Vier Jahre später übernimmt der Ludwig-Steil-Hof die Trägerschaft als „Förderschule für spätrückgeführte Kinder und Jugendliche“. 1956 wird die Schule dann als „staatlich anerkannte Ersatzschule“ weitergeführt. Drei Jahre später wird dann der Erweiterungsbau der Schule für den „Aufbauzweig“ in Betrieb genommen und sie bekommt den Namen „Birger-Forell-Schule“.
1966 übernimmt die Evangelische Kirche von Westfalen dann den „Aufbauzweig“ und führt ihn als Realschule weiter. Der Ludwig-Steil-Hof selbst behält die „Birger-Forell-Hauptschule“ als internatgestütztes Förderschulangebot für junge Aussiedler und Zuwanderer. Acht Jahre später wird dann ergänzend eine Förderschule für lernbehinderte Aussiedler als Bodelschwingh-Schule eingerichtet. Weitere sechs Jahre später, im Jahr 1980, können dann nicht mehr schulpflichtige Jugendliche im Ludwig-Steil-Hof Sprachintensivkurse belegen, bevor beide Schulen im Jahr 1988 unter einer gemeinsamen Schulleitung gebündelt werden. Die Förderschule wird sodann im Jahr 1991 neu gebaut und beide Schulzweige werden unter dem heutigen Namen „Bischof-Hermann-Kunst-Schule“ weitergeführt.
Ein Jahr später wächst im Laufe der Geschichte der Anteil jugendlicher Spätaussiedler aus der UDSSR und der Anteil aus Polen geht spürbar zurück. 1995 wird dann ein spezielles „Auffangklassen-System zur weiteren Verbesserung des Deutschspracherwerbs“ eingerichtet. In dieser Zeit vollzieht sich auch der spürbare Wandel von einer reinen Schule für Aussiedler*innen in ein modernes Migrationszentrum mit Schülerinnen und Schülern aus „aller Welt“. Dieser Prozess wird durch den Beginn der sogenannten „Migrations- und Flüchtlingskrise“ seit 2014 noch einmal neu forciert.
Die heutige Bischof-Hermann-Kunst-Schule ist eine private, staatlich anerkannte Ersatzschule in Trägerschaft der Evangelischen Stiftung Ludwig-Steil-Hof in Espelkamp.
Unter dem gemeinsamen Dach befinden sich als Bündelschule mit einer gemeinsamen Schulleitung zwei Schulformen: eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und eine Hauptschule. An der Förderschule können die Schüler und Schülerinnen als höchsten Abschluss den „Gleichstellungsvermerk Hauptschule Klasse 9“ erwerben. Im Anschluss können sie dann an die Hauptschule wechseln und ihren Bildungsweg weiterverfolgen.
An der Hauptschule können die Schüler und Schülerinnen den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 und weiterführend den Ersten Erweiterten Schulabschluss (ehemals Hauptschulabschluss nach Klasse 10) oder die Fachoberschulreife (Realschulabschluss nach Klasse 10), optional mit dem Qualifikations-Vermerk für die gymnasiale Oberstufe, erwerben.
Die dritte Säule der Bündelschule bilden die „internationalen Klassen“ (ehemals Auffangklassen). Sie sind der Hauptschule angegliedert. In diesen Klassen wird Deutsch als Zielsprache unterrichtet. Innerhalb des Systems durchlaufen die Schüler und Schülerinnen maximal vier Stufen. Jede dieser Stufen beinhaltet eigene Tests und Klassenarbeiten. Am Ende jeder Stufe wird der sogenannte „Stufentest“ geschrieben. Er besteht aus einer mündlichen und einer schriftlichen Leistung. Bestehen die Schüler und Schülerinnen den Test, besuchen sie die nächstfolgende Stufe. Hierbei ist zu beachten, dass die Klassen jeweils eine eigene Klassenleitung haben und in ihrer Grundzusammensetzung bestehen bleiben. Die unterschiedlich alten und aus verschiedenen Kulturen und Sprachräumen stammenden Schüler und Schülerinnen werden ca. 1,5 Jahre gemeinsam beschult. Zusätzlich zu dem Schwerpunkt Deutschunterricht, wird ebenfalls Mathematik und Englisch unterrichtet. Im Rahmen des Vollzeitunterrichts werden so also etwa 20 Stunden Deutsch, 5 Stunden Mathematik und 4 Stunden Englisch erteilt. Dieses System unterscheidet sich von vielen anderen und hat sich in unserer Schule seit beinahe 30 Jahren etabliert und vor allem bewährt. Schüler und Schülerinnen lernen hier die sprachlichen und sozialen Kompetenzen, um in der Regeschule ihren Bildungsweg fortsetzen zu können.
Ziel aller Schulformen ist der bestmögliche Schulabschluss für die Schülerschaft. Ebenso wie die Schüler und Schülerinnen der Förderschule in die Klasse 10 der Hauptschule übergehen können, wechseln auch die Schüler und Schülerinnen der internationalen Klassen nach Bestehen der letzten Stufe in die Hauptschulklassen. Hier wird dann auch nach Alter und besuchten Klassen im Heimatland differenziert. Einige Schüler und Schülerinnen besuchen nach der Auffangklasse aber auch das Berufskolleg oder werden in Maßnahmen zur Arbeitsvorbereitung vermittelt. Die Möglichkeiten für die Schüler und Schülerinnen sollen also bestmöglich ausgeschöpft werden.
Alles in allem zeigt sich bereits in dieser kurzen Darstellung unserer Schule die maximale Diversität der Schülerschaft. Hierin liegen der Reiz und die Verantwortung unserer Einrichtung. Das Lehrpersonal nimmt seinen Auftrag zur sozialen Wirksamkeit wahr und ernst. Es gilt ein Umfeld zu schaffen, in dem Regeln des gesellschaftlichen Umfeldes zunächst erlernt und dann angewendet werden müssen. Jedes Kind mit einer gebrochenen Biographie, sei sie schulisch, familiär oder durch Einwanderung bedingt, braucht eine Struktur. Dazu ist Beziehungsarbeit nötig, eng wird dabei auch mit anderen Institutionen und Fachdiensten zusammengearbeitet.
Derzeit besuchen vor allem Schüler und Schülerinnen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, der Ukraine und weiteren ca. 20 Nationen die Schule. Hier gilt es, mit traumatischen Erfahrungen umgehen zu können, den Schülern und Schülerinnen Stabilität zu bieten, sie aber gleichzeitig mit unserem Normen- und Wertesystem vertraut zu machen, ohne dabei wertend zu wirken. Schüler und Schülerinnen, die oftmals kaum bis keine schulische Bildung in ihren Heimatländern erfahren haben, müssen erst einmal für uns so grundsätzlich klare Dinge, wie zum Beispiel die Wertigkeit von Bildung lernen. Wir setzen da an, wo die Schüler und Schülerinnen es nötig haben. Oftmals steht dabei zunächst der Erziehungsauftrag vor dem Bildungsauftrag. Alles in allem zeigt sich, dass unsere Einrichtung immer ein kleines Spiegelbild der jeweiligen globalen Wirklichkeit war und ist.